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06. Januar 2016

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06. Januar 2016

Neues zur Zukunft der EHV

Die KV hat in ihrem Serviceblatt „Auf den Punkt“ sieben Artikel zur EHV, u.a. von dem 2. Vorsitzenden der KVH, Herrn Dr. G. Haas, vom Vorsitzenden des Beratenden Fachausschusses EHV, Herrn Dr. L. – H. Holle und vom Vorsitzenden des Aktuariats HEUBECK, Herrn Dr. R. Herrmann veröffentlicht.

Sie können sich das Heft von der Homepage der KVH herunterladen (das kann 4-5 Min. dauern!):
http://www.kvhessen.de/fileadmin/Auf-den-Punkt-5-2015.pdf
(Link ist leider nicht mehr verfügbar!)

Kommentar von Dr. H. Aßmann

Was die KV nicht mitteilt

1. Die IG EHV klagt nicht kompromisslos einen, nach Auffassung von Herrn Dr. Holle (S.15) fraglichen, subjektiv empfundenen Eigentumsschutz der EHV – Rente ein. Kompromisse wurden angeboten ohne dass sie akzeptiert wurden, unvorteilhafte und rechtlich fragliche Regelungen in den GEHV wurden mit Blick auf eine, jetzt allerdings wieder eliminierte, Rentengarantie für die Bestandsrentner und dem gemeinsamen Interesse an einer stabilen EHV klaglos hingenommen. So blieb und bleibt der IG EHV, auch in Zukunft, als einzig mögliche Handlungsoption der Klageweg.

2. Zwei Mal wurde bisher der KV durch die Gerichte Rechtswidrigkeit in grundsätzlichen Satzungsbestimmungen bei der EHV zu Lasten der EHV-Teilnehmer bescheinigt (einmal vom BSG am 19.02.2014, einmal vom SG am 05.11.2014) und sie sollte daraus endlich die richtigen Konsequenzen ziehen.

3. Der Rentner-Quotient in der Sozialversicherung ist definiert u.a. durch Standard-Bruttorente, Beitragshöhe und Durchschnittseinkommen. Hier (S. 15/ Dr. Holle, S. 25/ Dr. Hermann und S. 28/Dr. Haas) wird er vereinfacht als Quotient aus Anzahl der Rentner und Aktiven verwendet. Dabei wird außer Acht gelassen, dass Rentner nicht gleich Rentner ist. Der tatsächliche Wert der einzelnen Rente ist ganz unterschiedlich, je nach erworbenem Anspruch oder z.B. die Witwenrente. Korrekt wäre es aus dem Gesamt- Rentenvolumen die Anzahl der (fiktiven) Vollrentner zu bilden und in Beziehung zu den Aktiven zu setzen. (Rentenvolumen im Verhältnis zu Aktiven = Renten – Quotient). Daraus ergibt sich dann, auf der Basis neuer Zahlen von Herrn Dr. Herrmann für 2015 ein Quotient, gerundet von 0,4 und für 2035 von 0,75. Mit anderen Worten: z.Z. erwirtschaftet ein Aktiver 40% einer Vollrente und 2035 75% einer Vollrente.

Auch in 20 Jahren und darüber hinaus muss ein Aktiver nie mehr als 1 Vollrente erarbeiten, wie die Zahlen von Herr Dr. Herrmann in seinem GA vom 16.04.2015 auf S. 13, Abs.1 und Abb. IV-3 zeigen.

4. Schlagartiger Anstieg des Beitrags um 21% . (S. 14, 16 / Dr. Holle)Richtig wird festgestellt, dass dieser Beitragsanstieg überwiegend aus der Umsetzung der BSG- Urteils stammt (letztendlich aufgrund des rechtlichen Fehlverhaltens der Vertreterversammlung und des Vorstandes). Der Beitrag stieg 2015/16 regulär um 2,53 %. Die restlichen 18,5% sind auf das Urteil zurückzuführen und verteilen sich, fiktiv, demnach auf die vergangenen 9 Jahre, mithin eine Steigerung von 2,1% pro Jahr. Es wird erkennbar, dass sich die Beitragssteigerung im Rahmen der letzten 9 Jahre bewegt.

Verschwiegen wird, dass es sich bei den 18,5% um real eingesparte Beiträge der Aktiven handelt in der Größenordnung von etwa 130 Mio. €, die den EHV- Rentnern vorenthalten wurden und jetzt nicht ausgeglichen werden müssen.   

5. Richtig ist (S.15/ Dr. Holle), dass auch für zukünftige Kassenärzte eine positive Beitragsrendite (= Beitragsäquivalenz) prognostiziert werden muss.

Falsch dagegen ist, dass dies auf dem heutigen Niveau nicht erreichbar/finanzierbar ist. Für einen heute 42-jährigen die Kassenarzttätigkeit aufnehmenden Arzt (∅ Eintrittsalter 43 J.) kann auch auf dem heutigen Niveau eine positive Beitragsrendite prognostiziert werden, sogar bei geltender Rentengarantie (!) nach der ursprünglichen GEHV, gerechnet aufgrund der oben schon erwähnten Zahlen von Dr. Herrmann (2015).

Es muß in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen werden, dass nach der Rechtsprechung, in der berufsständischen Altersversorgung im Gegensatz zur Privatversicherung keine individuelle Beitragsäquivalenz gefordert werden kann (SG Marburg, 2014).

6. Zum wiederholten Mal wird erneut suggeriert, dass die EHV ein Honorar sei ( S.16/ Dr. Holle, S. 24/ Dr. Hermann) .

Das ist falsch! Das BSG hat schon 2008 festgestellt und 2014 bestätigt, dass die EHV einer Betriebsrente vergleichbar und daher eigentumsgeschützt durch Art. 14 des Grundgesetzes ist. Deshalb kann die EHV – Rente auch nicht nach den Regeln einer Honorarverteilung reguliert werden. Vielmehr muss der Eigentumsschutz und der Vertrauensschutz in den Bestand der Rente, besonders derer, die bereits eine Rente beziehen (BVerfG), gewährleistet sein, unabhängig davon, dass die EHV- Rente vom Gesamthonorar im Rahmen der Honorarverteilung zur Verfügung gestellt wird und dass die EHV – Rente in steuerlicher Hinsicht als Honorar gilt (für den Rentner eine zusätzliche Belastung, für den Aktiven bei der Beitragsbewertung immer noch ein Vorteil).

7. An dieser Stelle eine Bemerkung zur Rentengarantie (S.19 / Roth), die ab 01.07.2015, durchaus mit Absicht, gleichzeitig mit der Umsetzung des BSG – Urteils abgeschafft wurde, ohne dass diese in den 3 Jahren in denen sie galt zum Nachteil der Aktiven wirksam geworden wäre. Die Rentengarantie kann nur im Zusammenhang mit dem paritätischen Defizitausgleich gesehen werden. Sie musste, diesen ergänzend, auf Rat des „Rentenfachmannes“ Prof. Dr. Ruland aus verfassungsrechtlichen Gründen eingeführt werden, um den Eigentumsschutz der EHV-Rente bei der Durchführung des paritätischen Defizitausgleichs zu gewährleisten.

Die Rentengarantie wird nun ersetzt durch einen garantierten unteren Punktwert von 0,1966 ct, dem Punktwert aus dem Rentenjahr 2014/15, der allerdings noch auf der Basis des rechtswidrigen NHF vor der Umsetzung des BSG-Urteils errechnet wurde. Dieser Punktwert soll die Abschaffung der Rentengarantie verschleiern und suggeriert einen Schutz der „zuletzt gezahlten EHV-Rente“. Dass diese aber rechtswidrig zu niedrig war, wird verschwiegen und von der Mehrzahl der EHV - Rentner nicht bemerkt, da sie von der Umsetzung des BSG-Urteils nicht profitieren konnten und so in der Gesamtheit ca. 130 Mio. € verloren haben (s. unter Punkt 4.). Dass im laufenden Rentenjahr bereits ein Punktwert von 0,2294 ct gilt, der eben nicht mehr als zuletzt gezahlte Rente geschützt wird, wird dabei leicht übersehen.

8. Insofern ist auch die z.Z. geltende Rentenbezugsgröße nicht wirklich systemfremd,wie behauptet (S.16 / Dr. Holle, S.24 / Dr. Herrmann), zumal sie zumindest teilweise auch das ärztliche Honorar reflektiert über den Parameter „Veränderungsrate der kassenärztlichen Vergütung/ Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder der Krankenkassen“ (s.§§ 71 u. 87 SGB V), der auch in die Rentenbezugsgröße eingeht, und zumal das BSG eine Analogie der „EHV – Leistung zu Ansprüchen aus betrieblichen Versorgungsanwartschaften und (denen) in beitragsfinanzierten Sozialversicherungssystemen“ sieht.

Von erheblichem Vorteil ist, dass der Bezugspunkt der EHV jetzt von „Dritter Seite“ objektiv festgestellt wird und damit keiner Manipulation durch den Normgeber zugänglich ist, von der in der Vergangenheit die EHV, zu Lasten der EHV- Teilnehmer, nicht frei war.

Diese Größe kann sich eben nicht irgendwie, auch nicht aus politischen Gründen, einfach ändern, wie unterstellt wird (S.24 / Dr. Herrmann), denn sie ist gebunden an die „Sozialversicherungs-Rechengrößen-Verordnung“ ohne jeden Ermessensspielraum durch die Bundesregierung infolge der gesetzlichen Vorgaben der Verordnungsermächtigungen.

Übrigens ist auch der Mengenfaktor, mit dem der Rentenanstieg bei steigender Rentnerzahl im Verhältnis zu den Aktiven reduziert wird dem Sozialversicherungssystem entnommen, wenn auch modifiziert. Dieser wird offenbar nicht als systemfremd empfunden.

9. In den nächsten 20 Jahren steige die Beitragsbelastung, hier als Umlagequote ausgedrückt auf 12% (S. 27/ Dr. Haas).

Das ist reine Polemik!

Diese Behauptung setzt voraus, dass es über 20 Jahre zu keinerlei Anstieg des ärztlichen Honorars kommt. Eine völlig unrealistische Annahme!

In den Jahren 2002 bis 2011 stieg das Honorar um durchschnittlich 1,6% pro Jahr, übrigens fast parallel zur Bezugsgröße, wie der Vorsitzende des SG Marburg nachgerechnet hat. Hochgerechnet ergäbe sich auf dieser Basis eine „Umlagequote“ in 2035 von ca. 8,7 %. Aber auch bei einem geringeren Honoraranstieg von nur 1% Zuwachs pro Jahr bleibt die Quote mit 9,4 % (2035) immer noch innerhalb des Korridors von 6-10 % , den das LSG und BSG als noch zumutbar bezeichnet haben.

10. Mit dem maximalen Rentenanspruch auf der Basis des heutigen Punktwertes von 3.211,60 € /Monat (S. 28/Dr. Haas) wird eine hohe Rente suggeriert, die z.Z. von fast keinem EHV - Rentner erreicht wird. Sie basiert auf den zu erreichenden 14000 Punkten gegenüber 12000 Punkten (= 18%) vor 2012, die der maximalen Rente der heutigen Rentner entsprechen ( z.Z = 2.752,80 €/Monat). Dass die Aktiven 14000 Punkte und damit einen ca. 17% höheren Rentenanspruch als früher erreichen können, verdanken sie auch der Rulandschen Reform und letztlich der IG EHV. Abgesehen davon werden bei einer durchschnittlichen 24-jährigen Kassenarzttätigkeit die wenigsten Ärzte diesen Punktwert erreichen (sondern planmäßig 9600 Pkte.) und damit das System nicht in der suggerierten Form belasten.

Die Argumentation mit einem fiktiven Kapitaldeckungsstock von 770.000,00 € für eine solche Maximalrente ist unredlich ( S.28 / Dr. Haas). Es wird vorausgesetzt, dass das Kapital nicht aufgezehrt wird, ein in der Rentenversicherung unübliches Verfahren. Dort wird eine Laufzeit, (sog. kalkulierte Lebenserwartung) zugrunde gelegt, innerhalb derer das Kapital/Rente ausgezahlt wird. Diese Zahl hier ist also unnatürlich hoch.

Abgesehen davon nützt ein solcher Vergleich niemandem, da mit Recht auf S. 27 festgestellt wird, dass die beiden Systeme sich in Hessen positiv ergänzen.

11. Das BSG hat mitnichten eine paritätische Belastung beider Generationen gefordert, wie behauptet. (S.28/ Dr. Haas). Vielmehr wurde ein „sachgerechter und ausgewogener Ausgleich“ zwischen den Interessen formuliert, und ob es dabei zu einem paritätischen Defizitausgleich kommt, ließ das Gericht offen.

Anmerkung: Eine echte Parität zwischen den Inaktiven und Aktiven besteht z. Z. bei einem Verhältnis von 1:2,5 sowieso nicht.

Außerdem ist festzustellen, dass ein paritätischer Ausgleich, 1 : 1, zwischen einer Gruppe leistungsfähiger Aktiver und einer solchen leistungsunfähiger Rentner prinzipiell kein ausgewogener, verhältnismäßiger Ausgleich sein kann unter Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit der letztgenannte Gruppe (BVerfG).

Abschließend ist festzustellen dass nach allem kein vernünftiger Grund erkennbar ist, schon nach 4 Jahren eine erneute Systemänderung der EHV vorzunehmen.

Es wäre natürlich wünschenswert, wie gefordert, die Probleme der EHV im Gespräch zwischen Aktiven und Inaktiven zu lösen (S.28/ Dr.Haas). Aber das ist nur eine rethorische Floskel: Nach den bisherigen Erfahrungen mit solchen Gesprächen bleibt festzustellen: Solange solche „Verhandlungen“ nicht institutionalisiert in paritätisch besetzten Gremien mit Stimmengleichheit stattfinden (der EHV- Beirat, ein reines Alibigremium, vom Vorsitzenden des Beirats, einem Aktiven, dem Autor so bestätigt, hat sich als untauglich erwiesen), bleibt den EHV- Rentnern nur der Rechtsweg.

In Anbetracht des Durchschnittsalters dieser Gruppe und der Dauer des Instanzenwegs, der in der Regel von der KV auch ausgeschöpft wird, ist das nicht frei von Zynismus.

Dr. Hartmut Aßmann