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BSG-Urteil v. 12.12.2018

justitia 2597016 640

Aktualisierung v. 23.03./23.04./22.05.2019

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 Kommentar (Dr. Hartmut Aßmann) am 17.12. 2018, zuletzt aktualisiert am 22.05.2019

Am 12.12.2018 entschied das Bundessozialgericht die von uns und der KV eingelegten Sprungrevisionen. Bis auf einen Bagatellbetrag bei den Verwaltungskosten sind wir in in allen Punkten unterlegen.

Die vorläufige Stellungnahme unseres Anwalts Prof. Dr. Plagemann können Sie hier nachlesen.

Zu diesen Ausführungen haben wir jedoch noch erhebliche Einwände.

Mit dieser Entscheidung werden die EHV-Rentner in quasi absolutistische Zeiten zurück versetzt. Mit dem überaus dehnbaren Begriff der Gestaltungsfreiheit kann die KV jetzt frei und völlig willkürlich unter Umgehung selbstverständlicher demokratischer Regeln über unsere EHV-Rente, sprich über unser Eigentum verfügen. Mit seiner überaus großen Weisheit beschränkt das BSG die vom Gesetzgeber 2009 gewünschte Erweiterung der Bemessungsgrundlage der EHV durch die Selektivhonorare, als dem aus dem Kuchen des Gesamthonorars durch das Sozialgesetzbuch herausgebrochenen Honoraranteil, auf die Beitragsseite und konterkariert sein eigenes Urteil aus 2014 zum Eigentumscharakter der EHV-Rente nach Artikel 14 des Grundgesetzes.

Zu dem Kernpunkt unserer Klage hat sich das Gericht eher beiläufig geäußert ("Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich für den hier betroffenen Zeitraum ein geringfügig   -Anmerkung: Unterstreichung durch den Verfasser-  höherer Punktwert für die EHV ergeben hätte...."). Gemeint ist die nicht korrekte Umrechung unseres EHV-Anspruchs in Punkte zum 01.07.2012, dem Beginn der neuen GEHV durch Nichtberücksichtigung der Selektivhonorare, obwohl diese uns in den 4 Quartalen von 3/2011 bis 2/2012 ausgezahlt wurden. Nachdem es sich bei diesen Selektivhonoraren 2011/12 um eine erstmalige Auszahlung durch eine mit Wirkung vom 01.01.2010 gesetzlich neu geregelte Bemessungsgrundlage der EHV handelt, hätten diese Honorare unabhängig von einer Stichtagsregelung,die zudem völlig willkürlich war,  bei der Umrechung berücksichtigt werden müssen. Dass damit en passant, oder doch eher absichtlich, eine durch nichts begründbare Kürzung der EHV-Rente verbunden war, hat das Gericht überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gericht in der Begründung falsche Zahlen verwendet, um die Geringfügigkeit dieses Anteils der EHV-Rente zu belegen ( unter 1 Promille), obwohl das Urteil des SG eine Beispielsrechnung im Prozentbereich enthält (3,4%), die überhaupt nicht erwähnt wurde. Damit sei die KV nicht zu einer Berücksichtigung der Selektivhonorare gezwungen gewesen. Durch die 2015, erst nach mehrmaliger Anmahnung dann verspätet erfolgte Auszahlung der Selektivhonorare kann die Beispielsrechnung des SG anhand der realenZahlen jedoch gut belegt werden, nämlich mit 2,8 %, also weit oberhalb der Schätzung des BSG. Selbst in dem explizit aufgeführten Quartal 4/2010  weicht die Schätzung des Gerichts sicher um eine Zehner-Potenz  (!) nach unten ab.

Zur Rentengarantie hat das BSG nicht geurteilt, da wir im betroffenen Jahr (2015) keinen Nachteil hierdurch erlitten hatten.

Damit gehen die regelmäßigen Rentenkürzungen zunächst ungebremst wie in Zeiten des Nachhaltigkeitsfaktors weiter, nur geringügig modifiziert, ohne dass die absehbaren, fatalen Folgen, die Prof. Ruland mit der Rentengarantie verhindern wollte bedacht oder gwichtet worden wären. 

Schon im laufenden Jahr führt die jetzige, erhebliche Rentenkürzung ( immerhin ca. - 100,00 €/M. bei gleichzeitig steigendem Honorar!) zu einer Absenkung unter den zuletzt 2015 (!) gezahlten, durch das BSG-Urteil von 2014 mit 0,2261 ct korrigierten Punktwert. Die Kolleginnen und Kollegen, die wegen ihrer Nichtbeteiligung an den Verfahren zum Nachhaltigkeitsfaktor, meist wohl aus Unkenntnis, tatsächlich bis 2014/2015 mit dem durch den Nachhaltigkeitsfaktor erniedrigten Punktwert (2015: 0,1966 ct) "bestraft" wurden, was den Aktiven eine Summe von ca. 130 Mio. € einbrachte, werden diese Sachlage vermutlich gar nicht bemerken.

Zur Erkärung: Der 2015 zuletzt gezahlte Punktwert, nicht die jeweils zuletzt gezahlte Rente, gilt jetzt als garantierter unterer Punktwert. Und die KV hat mit ihrer scheinbar unbegrenzten Gestaltungsfreiheit, den niedrigeren, rechtswidrigen Punktwert (0,1966 ct) eingesetzt. Trotz all dem bewertet das BSG diese von der KV festgelegte untere "Haltelinie" von 0,1966 ct sogar als einen Beweis für die Wahrung der Interessen der Inaktiven durch die KV. Kein Wort zur Festlegung auf den unter den zuletzt 2015 gezahlten Punktwert und dazu, dass diese jetzige "untere Haltelinie" nach § 5 GEHV unter Finanzierungvorbehalt steht und damit eigentlich keinen Wert hat. Das SG hatte immerhin noch festgestellt, dass man die Entwicklung der EHV-Rente durch den Wegfall der Rentengarantie beobachten müsse.

Das alles hat das Gericht offenbar nicht gesehen, oder wollte es nicht sehen. Ich persönlich sehe daher auf dem Bild der Justitia mit Waage,  Schwert und  Binde vor den Augen vor allem eine blinde Justitia, nicht eine unvoreingenommene.

Es bestätigt sich erneut, gerade auch unter dem Eindruck des neuen BSG-Urteils ( s.auf dieser Seite, rechte Spalte), dass das BSG grundsätzlich die Institution KV gegenüber der Minderheitengruppe der EHV-Rentner "schützt" ganz nach der "Leitlinie" des  Vorsitzenden des Senats, die Selbstverwaltungsorgane und deren Gestaltungsspielraum zu stärken ( s. Gespräch des Dt. Ärzteblatts mit Prof. Dr. Wenner, Deutsches Ärzteblatt Jg. 113 | Heft 16 | 22. April 2016 : "Wenner gilt als ein überzeugter Anhänger der gemeinsamen Selbstverwaltung.....eine Überzeugung, aus der er im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt keinen Hehl macht......Ihm sei es allemal lieber, wenn Ärzte untereinander....... ihre Konflikte selbst austragen und diese nicht auf die Rechtsprechung verlagern würden.")  Dabei übersieht der Senat, dass hinsichtlich der EHV in Hessen diese Selbstverwaltung längst an ihre Grenzen gestoßen ist und die Minderheit der EHV-Rentner, die keine Mitglieder dieses "Selbstverwaltungsorgans" sind zunehmend unter die Räder kommen. Von Konflikt austragen kann überhaupt keine Rede sein, da mit uns, den Nichtmitgliedern keine Auseinandersetzung erfolgt (der EHV-Beirat  -seit Ende 2013-  ist mit seinen Mehrheitsverhältnissen eine reine Alibiveranstaltung).

Schon Prof. Dr. Ebsen hat das in seinem Gutachten vom Oktober 2004 erkannt. Auch die jeweiligen Vorinstanzen haben das erkannt und sind mit ihren Entscheidungen in den wesentlichen Verfahren fast immer zu für die EHV-Rentner günstigen bzw. günstigeren Urteilen gekommen, die dann vom BSG "abgeschmettert" oder zumindest noch gemildert wurden, wie 2014 bei dem ansonsten für uns günstigen Urteil.

Wir, die EHV-Rentner sind hiermit wieder auf hoher See ausgesetzt worden. Von einem Generationsvertrag kann wirklich keine Rede sein. Allenfalls handelt es sich um ein Generationsdiktat.

Die Konsequenz für die IG EHV kann nur lauten, beharrlich weiter gegen die sich fortsetzende Willkür der KV mit den systematischen Benachteiligungen der EHV-Rentner sich zu wehren und die Gerichte anzurufen, wenn auch mit ungewissen Ausgang nach der augenblicklichen Erfahrung. Der Hinweis auf Beobachtung und damit weitere Klagemöglichkeiten ist in Anbetracht unseres Alters und der üblichen Dauer der  Gerichtsverfahren, die von der KV noch dazu, nicht ohne eine gewisse Absicht, so weit als irgend möglich gedehnt wird, nicht ohne einen gewissen Zynismus.

Jetzt zu resignieren und die Gegenwehr einzustellen ist keine Alternative im Hinblick auf die aufgehobene Rentengarantie und möglicher weiterer Einschnittein die EHV, Um so wichtiger ist weiterhin eine starke IG EHV als einzige potente Gegenkraft. Darüber hinaus muß das zarte "Pflänzchen"  PRO EHV  gepflegt werden. Vielleicht gelingt es ja doch noch, die Gerichte, auch das BSG, und nicht -zuletzt die schweigende Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen von dem Versuch der KV, die EHV systematisch auszuhöhlen, zu überzeugen.

Auch ein oberstes Sozialgericht ist nicht unfehlbar und wir können und wollen das so nicht stehen lassen. Um keine Zeit zu verlieren haben wir uns schon um einen in Verfassungsfragen besonders kompetenten Anwalt bemüht und da die Frist zum Einlegen einer Verfassungsbeschwerde am 23.04.2019 endet, sind die Vorbereitungen zu einer entsprechenden Klage inzwischen im Gange.

Aktualisierung: Am 23.04.2019 wurde die Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Vor dem Bundesverfassungsgericht werden wir von Herrn Prof. Dr. Zuck aus Stuttgart vertreten. Es bleibt jetzt abzuwarten,ob die Verfassungsbeschwerde angenommen wird.